Not Returning to Normal

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About This Podcast

What Is Life Like In Northeastern Japan After the Fukushima Daiichi Disaster? Arnie talks with Fairewinds board member Chiho Kaneko to discuss her recent trip to northeastern Japan. Ms. Kaneko discusses the difficulties of trying to live there surrounded by radioactive contamination, and the psychological pressure people experience as the try to reestablish their lives after the accident.

Transcript

Deutsch

Japans Norden – keine Rückkehr zur Normalität nach Fukushima

KH: Dies ist der Energy Education Podcast vom Sonntag, dem 11. [eigentlich 10., AdÜ] Februar 2013. Heute haben wir einen besonderen Gast bei uns, Chiho Kaneko. Chiho ist ein Mitglied des Aufsichtsrats von Fairewinds Energy Education. Sie ist eine bildende Künstlerin und Journalistin. Eine Zeit lang hat sie für die japanische Tageszeitung Iwate Nippo gearbeitet. Seit dem Erdbeben und Atomunfall in Japan ist sie vier Mal nach Japan zurückgekehrt, einmal in die Präfektur von Fukushima. Sie ist heute bei uns, um uns ihre Erfahrungen und Erkenntnisse mitzuteilen. Chiho, willkommen bei der Sendung!

CK: Hallo Kevin. Es tut gut, hier zu sein.

KH: Und wie immer ist auch Arnie Gundersen bei uns. Arnie, herzlich willkommen!

AG: Hallo, Kevin, danke dir! Hallo Chiho!

KH: Chiho, wenn wir gleich mit dir beginnen: Kannst du uns für den Anfang ein bisschen etwas darüber erzählen, wie sich das Leben vor dem Unfall vom März 2011 im Norden Japans abspielte?

CK: Ich bin der Präfektur von Iwate geboren und aufgewachsen. Iwate ist eine von den sechs Präfekturen im Nordosten Japans. Iwate liegt nördlich von Fukushima. Fukushima ist genau genommen die südlichste dieser sechs Präfekturen. Die Region ist ländlich geprägt: es dominiert die Landwirtschaft, aber es gibt auch hohe Berge, wunderschöne Flüsse und malerische Küstenabschnitte mit reichen Fischgründen. Ein bisschen wie Neuengland in den Vereinigten Staaten, klimatisch es ist dort auch um einiges kühler als im Rest Japans.

AG: Chiho, es klingt also wie Neuengland, mit seinen Bergen, Küstenstrichen – außer, dass es da noch die Erdbeben und Tsunamis gibt.

CK: Ja, das ist wohl der Fall und das ist natürlich bedauerlich.

KH: Chiho, wenn wir einmal von den offensichtlichen Auswirkungen des Erdbebens absehen, wie haben sich die Dinge im Norden Japans nach dem Unfall verändert?

CK: Nun, zunächst einmal haben das Erdbeben und der Tsunami den östlichen Teil dieser sechs Präfekturen total verwüstet, vor allem aber in Iwate, Miyagi und Fukushima. Das Erdbeben hatte sein Epizentrum vor der Küste von Miyagi. Es war also in unmittelbarer Nähe – tausende Menschen sind in wenigen Momenten gestorben. Das Leben der Menschen wurde komplett durcheinandergewirbelt, viele sind weggezogen, manche versuchen einen Wiederaufbau. Aber zusätzlich zu all dem ist da noch der Fallout aus den Atomreaktoren, auch auf dem Schutt und den Trümmerhaufen an der Küste. Manche Städte haben die Trümmerhaufen weggeräumt, aber woanders, wie in Fukushima, sind die Schutthaufen immer noch da, weil sie so hoch radioaktiv sind. Das große Streitthema in Japan heute, überall in Japan, ist, was mit diesem Schutt und den Trümmern geschehen soll, weil niemand diesen Abfall in seinen Verbrennungsanlagen haben will. Wenn man diesen Schutt verbrennt, verbreitet man damit die Radioaktivität über ganz Japan. Andererseits ist es so gut wie unmöglich, so große Mengen Abfall in dieser kleinen Region zu aufzuarbeiten. Den Menschen aber wurde der Boden unter den Füßen weggezogen, ihr tägliches Leben hat sich komplett verändert.

AG: Wir haben über dieses Vorhaben, den Schutt zu verbrennen, bereits vor einem Jahr auf der Fairewinds-Website gesprochen. Es gibt dabei zwei Sorgen: das, was in die Luft geblasen wird, und das, was zurückbleibt: die Verbrennungsasche ist ebenfalls hochradioaktiv. Die Japaner haben also ein Problem mit ihrem Abfall, einen Teil davon blasen sie in die Luft, ein anderer wird zu Asche – aber das Problem verschwindet dadurch nicht.

CK: Ja, so ist es. Wegen der riesigen Menge an Schutt ist das ein gigantisches Problem. Nur um euch eine Vorstellung zu geben, wie es in meiner Heimatpräfektur aussieht: Meine Eltern leben in Morioka, das ist ziemlich in der Mitte der Präfektur von Iwate. Von dort aus gesehen liegt die Atomanlage von Fukushima ca 250 km weiter südlich. Aber sogar in Morioka sind einige Lebensmittel, zB Pilze oder Wildkräuter, an manchen Stellen bis zum Grenzwert mit radioaktivem Cäsium belastet. Also auch in meiner eigenen Heimatpräfektur werden Schulessen einmal die Woche getestet, um sicherzustellen, dass die Strahlendosen in den Zutaten für Kinder gering genug sind.

KH: Ich stelle mir vor, dass das die Japaner ziemlich schwer belasten muss. Es ist schon ein Riesenunterschied, ob man einfach auf den Markt geht, um Fisch zu kaufen oder ob man sich nie sicher sein kann, ob der Fisch, den man kauft, nicht radioaktiv ist. Wie gehen die Japaner mit dieser plötzlichen Veränderung um?

CK: Nun, einige sorgen sich mehr als andere, wie überall sonst auch. Ich glaube, die meisten Landwirte sind sehr besorgt darüber, was in ihren Lebensmitteln enthalten ist. In Morioka zB gibt es einen Bioladen, in dem lokale Produkte angeboten werden. Der Besitzer, Herr Ojima, hat seine eigene Testausrüstung. Er begann damit im Sommer 2011, also sehr früh, um sicherstellen zu können, dass die Produkte für seine Konsumenten unbedenklich sind: Seht her, ich habe die Lebensmittel getestet, ich kann euch sagen, was drin ist. Die Leute können auch Nahrungsmittel, die sie getestet haben wollen, zu ihm bringen und für eine geringe Gebühr genau feststellen, was drinnen ist.

AG: Das ist wirklich atemberaubend. Man stelle sich vor, man geht in einen Supermarkt, und dort gibt es, sagen wir, das Regal mit den Glühbirnen und die Fleischtheke, aber dann ist da noch dieser Typ mit seinem Geigerzähler im eigenen Supermarkt. Das verändert die Atmosphäre im Geschäft natürlich. Es ist, wie wenn man einen Apfel aus Neuengland nimmt, und den auf PCBs aus dem Hudson testen lässt, oder irgend so etwas in der Art. Es ist also eine bemerkenswerte Angelegenheit, wenn ein Geschäft so etwas machen muss.

CK: So etwas ist allerdings nicht wirklich sehr verbreitet. Die meisten Leute in meiner Heimatstadt etwa sind nicht so besorgt darüber, muss man fairerweise sagen. Die meisten großen Supermarktketten schreiben derartige Informationen nicht an. Wie dem auch sei, die Lage [in der Präfektur von] Fukushima selbst ist ganz anders. Gerade neulich bin ich zum ersten Mal dort gewesen. Dort findest du die Hinweise überall, auch in den großen Supermarktketten: [Das und das ist] OK, diese Lebensmittel wurden getestet, die Grenzwerte wurden nicht überschritten. Allerdings sind die Nahrungsmittel, welche die Leute in diesen nördlichen Landstrichen traditionell zu sich nehmen, mitunter nicht länger verfügbar. Beispielsweise Wildpilze: Die Leute verwenden sie zwar noch, sammeln sie und essen sie auch, obwohl sie zu den am meisten belasteten Nahrungsmitteln zählen. Aus irgendeinem Grund reichern sie Cäsium ganz besonders an. Oft enthalten sie erhöhte Dosen von Cs-134 und Cs-137. Ich rede hier wieder von der Situation in Iwate, man kann sich also vorstellen, wie es in Fukushima aussieht. Wenn wir schon von der Lebensmittelproduktion sprechen: Die Kaki ist eine Baumfrucht, und ihr Anbau stellt einen der wichtigsten Zweige der landwirtschaftlichen Produktion von Fukushima dar. Die Stadt Date, wo ich gerade herkomme, ist für ihre getrockneten Kakis bekannt. Allerdings enthalten nicht nur die Früchte radioaktive Elemente, sondern der klassische Weg, sie haltbar zu machen, nämlich, sie zu an der Luft ganz natürlich zu trocknen, konzentriert das Cäsium auch noch. Diese Produkte findet man nun nicht mehr. Es ist also so, dass man nicht nur das Essen, wie man es bisher gewohnt war, nicht mehr haben kann, es besteht auch die Gefahr, dass die traditionellen Gepflogenheiten als Ganzes verlorengehen.

AG: Chiho, vor kurzem erst kam eine wissenschaftliche Studie heraus, in der festgestellt wurde, dass die Rinder, die nach dem Unfall frei herumliefen, stark mit Cäsium belastet sind und dass die Konzentration in den Jungtieren noch einmal um 50% höher ist als bei den Muttertieren. Das ist auch logisch, denn Jungtiere wachsen um Vieles schneller und die Cäsiumkonzentration steigt in den schnell wachsenden Organen. Aber freilich, wir finden die Kontamination bei Pilzen und eben im Fleisch der Tiere, die in der Provinz Fukushima zurückgelassen wurden. Das muss ganz besonders traurig für die eingesessenen Bauern sein, die ja viel Zeit in ihre Betriebe investiert haben.

CK: Ja. Nun, es geht leider auch nicht nur um die Rinder, die zurückgelassen wurden. Eine große Anzahl der Kühe - ich spreche von 2011 - war im Zeitraum unmittelbar nach dem Unfall mit kontaminiertem Heu gefüttert worden. Den Bauern, aber auch der Regierung war das damals nicht bewusst. In gewisser Weise könnte man sagen, das ist doch einfach gesunder Menschenverstand – aber man hat das Heu einfach zu wenig beachtet. Was nun passierte war, dass die Kühe kontaminiertes Heu gefressen haben. Die Leute lassen das Heu ja über Winter einfach im Freien und füttern damit ihr Vieh. Dieses Heu, das zum Zeitpunkt des Unfalls im Freien war, enthielt ziemlich große Mengen Cäsium. So kam es im Jahr 2011 zu einer massiven Rückholaktion für Rindfleisch in diesen nördlichen Regionen. Eine Zeit lang war der Verkauf von Rindfleisch aus diesem Gebiet überhaupt völlig untersagt, und das inkludierte damals Iwate.

AG: Was mir bewusst wird, wenn ich dir so zuhöre: Die Dinge, die wir alle für selbstverständlich erachten, reine Luft zu atmen und sauberes Wasser zu trinken und aus dem nächsten Bach einen Fisch herausholen zu können – all das ist nicht mehr selbstverständlich. Ist das so?

CK: Genau so ist es. Es ist wirklich herzzerreißend. Ich bin überall in Japan herumgewandert, und als ich zum ersten Mal in Fukushima war ist mir irgendwann einmal klar geworden, dass ich dadurch, dass ich auf kontaminiertem Boden herumlaufe, Radioaktivität an andere Orte verschleppe. Es ist wirklich traurig, wenn man daran denkt ... Es geht nicht darum, Fukushima als den Ort zu brandmarken, wo man nicht hingeht. Das ist es nicht. Es ist einfach eine Realität, dass der Norden Japans, also nicht nur Fukushima, der ganze Norden Japans, verseucht ist. Das ist eine Tatsache. Und die Leute tragen diese Verunreinigungen mit sich herum und transportieren sie weiter, wenn sie woandershin reisen und bringen sie mit. Da kommt mir gerade in den Sinn: Als es diesen Ausbruch der Maul- und Klauenseuche vor einigen Jahren in Japan gegeben hat, hat die Regierung einen großen Aufwand getrieben, um die Krankheit einzugrenzen. Im Prinzip haben sie ganze Gegenden einfach abgeriegelt und jedes Fahrzeug und alle Leute überprüft, die diese Gebiete betreten haben. Strahlung aber sieht man einfach nicht so leicht. Es passiert also eine graduelle, langsame Verschleppung und Ausbreitung dieses Materials – ganz ohne böse Absicht. Niemand hat es darauf angelegt. Aber wir alle tragen dazu bei. Das ist ein wirklich unheimliches, makabres Gefühl, das mich in Japan beschlichen ist.

AG: Chiho, da gab es doch jemanden aus einer dieser nördlichen Präfekturen, der eine Botschaft an Tokyo Electric [TEPCO] senden wollte. Kannst du uns von ihm erzählen?

CK: Ja. Eines der schlimmsten Dinge nach dieser dreifachen Katastrophe in Japan war, dass es eine Menge Verzweiflung und Wut gab. Nun, bei einem Tsunami und einem Erdbeben kann man seinen Ärger gewissermaßen auf die Natur ausrichten, aber schlussendlich muss man sich sagen: „Naja, dagegen sind wir machtlos.“, und das Leben geht weiter. Im Falle eines Reaktorunfalls weiß man nicht, wem man die Schuld geben soll. Man schiebt möglicherweise die Verantwortung den Leuten zu, die für die Atomkraft geworben haben. Aber es gibt da so viele widersprüchliche Gefühle und Interessen, sodass die Menschen anfangen, sich untereinander zu bekämpfen. Sie fangen an, mit ihren Nachbarn zu streiten: Sie geraten aus der Fassung, weil ihr Nachbar Kompensationszahlungen erhalten hat, sie selbst aber nicht – solche Sachen. Manche Mütter sind aus finanziellen Gründen nicht in der Lage, sich an einem anderen Ort anzusiedeln. Sie bleiben und akzeptieren den Umstand, dass sie nun mit der Strahlung leben müssen. Andere denken, sie dürfen ihre Kinder diesen potentiellen Gesundheitsgefahren nicht aussetzen. Als ich all diese widersprüchlichen Informationen und Befindlichkeiten gesehen habe, hat mich das sehr stark beunruhigt. Eines Tages las ich dann in einer Email – es war unter den anderen Postings des Blogs, bei dem ich abonniert bin, dass diese eine Person aus Fukushima einen Sack mit Erde von ihrem Heim in Nihonmatsu, Fukushima, genommen hat und innerhalb eines Monats in Etappen (da er sich ja auch noch um seine Arbeit kümmern muss) zum Hauptquartier von TEPCO nach Tokio marschiert ist, um diesen Sack Erde abzuliefern. Seine Absicht war darzustellen, dass es möglicherweise verboten ist, radioaktives Material zu transportieren, aber in Wahrheit ist es lä- cherlich, so etwas verbieten zu wollen, denn das Zeug ist inzwischen überall. Er hatte um einen Sack solcher Erde nicht gebeten. Er wollte, dass sie [die Leute von TEPCO] am eigenen Leibe erfahren, wie es sich anfühlt, wenn man mit Dingen umgeben ist, um die man nie gebeten hat. Ich war berührt von diesem einfachen Akt, diesem Appell dieses Menschen. Es hat damit geendet, dass ich über meine Freunde Kontakt mit ihm aufgenommen und ihn dann kürzlich auch getroffen habe. Das war ein sehr inspirierendes Treffen. Ich habe ihn in Fukushima besucht.

KH: Chiho, kannst du vielleicht etwas zu der Polarisation sagen, die in der japanischen Öffentlichkeit stattfindet? Wie einige Leute dieses Problem akzeptiert haben, während andere empfinden, dass es vielleicht unpatriotisch ist, dieses Problem offen anzusprechen.

CK: Ja. Das ist allerdings ein besonders verwickelter Aspekt. Es ist erstaunlich, wie die Leute mit dem Ort, an dem sie leben, verbunden sind. Auch wenn sich die Menschen dar- über im Klaren sind, wie stark ihre Stadt, ihr Zuhause kontaminiert ist, so ist es unheimlich schwer, diese Verbundenheit abzulegen. Falls sie evakuiert wurden, hoffen sie darauf, zurückkehren zu können. Besonders bei Müttern mit kleinen Kindern finde ich aber einen ganz anderen Zugang als bei anderen Menschen. Sie sind das direkte Bindeglied zum Leben, zur Zukunft. Sie sind es, die ganz stark das Empfinden haben, dass, wenn sie nichts tun, um ihre Kinder zu beschützen, dann wird es überhaupt niemand tun. Sie sind es, die darauf aufmerksam machen, dass die Regierung nicht genug unternimmt um den Leuten zu helfen, an einen sichereren Ort umzuziehen. Die Landwirte andererseits haben meines Erachtens gemischte Gefühle zum aktuellen Zustand: Einerseits sagen sie sich, dass sie nicht um diese Verschmutzung gebeten haben, und sind daher ziemlich verärgert; sie versuchen, von der Regierung Entschädigungen für ihren Verlust zu bekommen. Andererseits wollen auch sie den ursprünglichen Zustand ihres Bodens wiederherstellen (wenn es überhaupt eine Methode dafür gibt), damit sie dort weiterleben und Nahrungsmittel produzieren können. Die Prioritäten sind also unterschiedlich und jeder interpretiert die Situation anders. Das wird dadurch verstärkt, dass es widersprüchliche Analysen, widersprüchliche Interpretation dar- über gibt, was nun die Gesundheitsauswirkungen der Strahlung sind.

KH: Es gibt also sehr viel Raum für Meinungsverschiedenheiten.

CK: Ja.

KH: Chiho, wie siehst du die Zukunft für den Norden Japans? Wie werden sich die Dinge nun weiterentwickeln?

CK: Ich weiß es nicht [lacht]. Um es einfach auszudrücken: Wenn man die Zeitungen liest, dann sind viele der Überschriften äußerst ermutigend. Also beispielsweise Neuigkeiten über den Wiederaufbau oder darüber, dass die Strahlendosen reduziert werden konnten usw. Aber zwischen diesen Überschriften findet man oft andere Nachrichten, dass etwa am Vortag wieder ein Nahrungsmittel gefunden wurde, dessen Cäsiumgehalt am Limit war, oder was auch immer, aber nun sei das Problem gelöst. Die Leute verklagen nun die Regierung und TEPCO, aus verschiedenen Gründen. Ich weiß also nicht, was die Zukunft für die Menschen bereithält.

AG: Ich glaube, wir befinden uns gerade in einer Ruhephase zwischen zwei Stürmen. Der erste Sturm betraf die unmittelbaren Auswirkungen nach dem Unfall. Offen gesagt, es ist noch zu früh, als dass die Krebserkrankungen schon auftreten würden. Die Latenzzeit für Schilddrüsenkrebs ist mehr als fünf Jahre, bei Lungenkrebs sind es fünf bis zehn. Wir haben diesen fürchterlichen Unfall miterlebt, all die Wut und Angst, jetzt aber sind wir möglicherweise im Auge des Hurrikans. Die nächste Welle rollt aber bereits auf uns zu und meine große Sorge war immer, dass die Menschen grundlos verstrahlt wurden. Nun aber werden die Japaner von einer erhöhten Krebsrate berichten müssen und das wird Teil des Lebens in Japan für lange Zeit bleiben.

CK: Etwas, was die Leute verständlicherweise sehr beschäftigt, ist, was mit ihrer eigenen Gesundheit sein wird. Manche Menschen, die ich getroffen habe, stellen bereits jetzt eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes fest, einfach dadurch, dass sie an diesem Ort leben. Ich glaube viele Leute tragen die Ungewissheit mit sich herum, was ihnen wohl zustoßen wird. Diese Leute sind auch darüber besorgt, dass sie einfach geopfert, alleingelassen werden könnten, so wie es in Tschernobyl geschah. Die Regierung hat damals jene Studien unterdrückt, welche die Krankheiten der Menschen mit der Strahlung in Verbindung gebracht haben. Offizielle Studien sagen aus, dass die Gesundheitsbeeinträchtigungen gar nicht so schlimm waren. Die Menschen in Fukushima befürchten, dass ihnen in Zukunft das Gleiche gesagt werden wird. Aber die Wirklichkeit könnte eine andere sein. Ich habe also in Japan eine mit Händen zu greifende Unsicherheit und Beklemmung erlebt.

AG: Lass mich dazu ganz kurz etwas sagen: vom 11. bis zum 12. März wird es in New York City ein Symposion geben (mehr Informationen dazu bald auf unserer Website). Aber im Gegensatz zu offiziellen Quellen, die einer Interpretationslinie anhängen, gibt es eine große Gruppe von Wissenschaftlern, die bereits jetzt die Probleme, wie sie sich in Fukushima entwickeln, dokumentiert haben. Die gleichen Wissenschaftler haben auch Probleme in Tschernobyl offengelegt und einige wurden deswegen sogar für fünf Jahre ins Gefängnis geworfen, in Weißrussland etwa. Also wenn ich von den offiziellen Zahlen aus Tschernobyl höre ... Offen gesagt, es gab eine derartige Vertuschung in der Ukraine, dass ich den offiziellen Zahlen keinen Glauben schenke. Aber dieses Mal hat sich etwas verändert. Wir haben nun die Möglichkeit, das Internet zu nutzen und die Erkenntnisse von Bürgern rund um die Welt, um zu dokumentieren, was in Fukushima wirklich passiert. Diese Möglichkeit hatten wir zur Zeit von Tschernobyl nicht, genau so wenig in Three Mile Island. Das ist mit ein Grund, warum wir die Fairewinds-Website ins Leben gerufen haben und warum Chiho ein Mitglied des Aufsichtsrats ist. Es geht darum, das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu schärfen und sie mit Informationen zu versorgen, damit diese Information dann auf Symposien wie dem von New York City im März verbreitet werden kann.

KH: Nun, Chiho und Arnie, danke, dass ihr heute mitgemacht habt, es war ein Vergnügen.

CK: Danke schön!

AG: Danke, Kevin!

KH: Soviel zu dieser Ausgabe des Energy Education Podcast. Sie können uns nächsten und überhaupt jeden Sonntag mit neuen Nachrichten zum Thema Atomkraft hören. Sie können uns auch auf Facebook verfolgen. Ich bin Kevin für Fairewinds Energy Education. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Quelle: Not Returning to Normal

http://www.fairewinds.org/images/content/not-returning-normal

Sprache des Podcasts: Englisch, 11. Februar 2013

Autoren: Fairewinds Energy Education http://www.fairewinds.org/images/

Übertragung nach der Originalquelle ins Deutsche: www.afaz.at (ak,mv)

Dieses Schriftstück steht unter GFDL, siehe www.gnu.org/licenses/old-licenses/fdl-1.2.html . Vervielfältigung und Verbreitung - auch in geänderter

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