What Are The Consequences Of Siting A Nuclear Plant In a Seismically Active Area?
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In today's Fairewinds' podcast with Arnie Gundersen, we examine the effect of the recent earthquakes on both the Fukushima Daiichi and Daini sites, as well as potential damage from other quakes still to come. Arnie discusses Japan's previous large quakes and the impact on Japanese society. Finally, we discuss future problems with removing the spent fuel from the fuel racks in Daiichi Units 3 and 4.
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KH: Dies ist der Energy Education Podcast für den 9. Dezember 2012. Ich bin Kevin. Der Podcast ist ein Projekt von Fairewinds Energy Education. Fairewinds ist eine gemeinnützige Organisation, die sich zum Ziel gesetzt hat, Politiker, die Öffentlichkeit und die nächste Generation über Atomkraft und deren Sicherheit zu informieren. Heute in der Sendung: Die Aufmerksamkeit der ganzen Welt richtet sich wieder auf Japan, nachdem sich ein Erdbeben der Stärke 7,3 nach Richter vor der Küste Japans ereignet hat. Wir werden dieses neuerliche Beben erörtern. Außerdem: In der Anlage von Fukushima Daini, nur wenige Kilometer südlich von Daiichi, wurde ein Druckanstieg im Containment registriert. Auch darüber wollen wir sprechen. Wir werden weiters über die Schwierigkeiten reden, auf die TEPCO bei dem Versuch stoßen könnte, die Brennelemente aus den Abklingbecken zu entfernen. Auch diesmal bei uns im Studio ist der Fairewinds Chefingenieur, Arnie Gundersen. Dies alles in Kürze.
Maggie Gunderson (Präsidentin von Fairewinds): Könnte es in den USA zu einer Kernschmelze wie in der Anlage von Fukushima Daiichi kommen? Berichten die Massenmedien wirklich die Wahrheit über die Atomindustrie? Wenn Sie Antworten darauf suchen, was sich rund um die Welt an Neuigkeiten zum Thema Atomkraft ereignet: Bei Fairewinds werden Sie fündig. Ihre Spenden ermöglichen uns die Bereitstellung der notwendigen Mittel, Ihnen weiterhin sachliche Informationen durch erfahrene Experten zu bieten. Bitte bedienen Sie die Schaltfläche für Spenden.
KH: Danke, dass Sie bei uns sind. Es ist Sonntag, der 9. Dezember 2012. Sie hören den Energy Education Podcast. Nur als kleine Erinnerung: Wir würden gerne von Ihnen hören. Wenn Sie irgendwelche Fragen oder Anmerkungen haben, zu denen Sie von Arnie gerne eine Aussage hätten, wollen wir das gerne hören. Sie können eine kleine Aufnahme machen und diese an uns im mp3 Format weiterleiten. Die Emailadresse ist podcast@fariewinds.org. Bitte geben sie auch Ihren Vornamen an, und von wo aus Sie sprechen. Alle Fragen oder Kommentare sollten 30 Sekunden lang sein (oder kürzer). Noch einmal die Emailadresse: podcast@fariewinds.org. Diesen Dezember bittet Sie Fairewinds auch um Ihre Hilfe. Fairewinds ist auf die Unterstützung von Hörern wie Ihnen angewiesen, um Energy Education weiter zu verbessern. Helfen Sie uns also bitte, unser Spendenziel während der Weihnachtssaison zu erreichen, indem Sie uns eine Unterstützung weiterleiten. Nun aber wollen wir beginnen. Arnie, danke, dass du heute zu uns ins Studio gekommen bist.
AG: Hallo Kevin, danke, dass ich wieder bei euch sein darf.
KH: Kommen wir gleich zum Hauptthema unserer Debatte, dem Erdbeben vor Japan, das vor nunmehr zwei Tagen [also am 7. Dezember 2012, AmÜ] stattgefunden hat. Es war von der Stärke 7,3 nach Richter, und alle sorgen sich um die Reaktorgebäude #4 und #3 in Fukushima Daiichi. Kannst du etwas dazu sagen?
AG: Ja. Es war zwar von der Stärke 7,3, aber 150 km vor der Küste. Das heißt, die Anlage selbst wurde nicht von einem Erdbeben der Stärke 7.3 erschüttert. Weißt du, es ist, wie wenn man einen Stein in einen Teich wirft: in der Mitte, dort wo der Stein auf die Oberfläche aufschlägt, ist die Störung am größten, aber je weiter sich die Wellen davon entfernen, desto niederer werden sie. Die Anlage wurde also von einer beachtlichen Erschütterung heimgesucht, aber es war kein massives Beben.
KH: Keine 7,3 zu dem Zeitpunkt, als das Kraftwerk getroffen wurde - ist es das, was du sagst?
AG: Ja, es hatte vielleicht Stärke 6.
KH: Aber auch, wenn es nur Stärke 6 war: Die Gebäude sind nicht mehr stabil, man macht sich also Sorgen. Was ist nun vor Ort geschehen?
AG: Ja, ich habe gesagt, wenn es ein Beben der Stärke 7 direkt vor Ort gibt, dann muss man um die statische Integrität der Gebäude bangen. Das glaube ich auch weiterhin. Speziell #3: Es ist das am schlimmsten beschädigte Gebäude, und #4 hat natürlich den meisten Atombrennstoff. Es gibt da also zwei verschiedene Ausgangspunkte: #3 ist das Gebäude, das am einsturzgefährdetsten ist; wenn es aber #4 erwischt, dann wäre die größten Freisetzung von Radioaktivität die Folge. Aber das alles ist nicht passiert, und das sind natürlich gute Nachrichten. Die Abklingbecken sind weiterhin intakt. Ich glaube allerdings nicht, was TEPCO sagt: „Mach dir keine Sorgen, bleib fröhlich, ist eh alles in Ordnung!“ Es gibt Hinweise auf ein Problem in #1, wir sind immer noch in Fukushima Daiichi, Reaktorgebäude #1 also, wo es zu einer Erhöhung der Wasserstoffwerte nach dem Unfall kam. Es ist sind noch keine explosiven Konzentrationen, aber sie sind dramatisch angestiegen. Es gab ein anderes Problem 10 km entfernt in der Anlage von Fukushima Daini: Im dortigen Reaktorgebäude #1 kam es zu einem Druckanstieg im Containment. Niemand weiß so recht, warum das geschah, aber es war kurz nach dem Beben, es besteht also ein eindeutiger kausaler Zusammenhang. Dann berichtete der Nachrichtendienst Nikkei, dass es in der Brennstoffwiederaufbereitungsanlage, die sich ebenfalls nicht in unmittelbarer Nähe des Erdbebenherdes befindet, zu einer Spitze bei der Freisetzung von Radioaktivität gekommen ist. Dies sind Probleme, die nicht passieren dürften, aber es sind keine katastrophalen Ereignisse.
KH: #4 steht also noch, alle waren wegen #4 besorgt. Sollten die Menschen nun dann wegen Fukushima Daiichi, speziell #4, besorgt sein?
AG: Ja, ich bin immer noch wegen Fukushima beunruhigt, und dieses Beben der Stärke 7,3 ist wahrscheinlich nicht das stärkste, das als ein Nachbeben des 9,3 Bebens, wie es damals stattgefunden hat, passieren kann. Ein Beispiel ist das Sumatra-Erdbeben 2007: Das war ein Beben der Stärke 9, und 18 Monate später gab es ein Nachbeben der Stärke 8,6. Ein Nachbeben der Stärke 7,3 nach einem Beben der Stärke 9 kann also erwartet werden, und wenn ich ehrlich bin, erwarte ich noch ein stärkeres Nachbeben irgendwann in der Zukunft. Es ist nur eine Frage, wann es so weit sein wird.
KH: Arnie, wir haben über die Gebäude #3 und #4 bereits ausführlich gesprochen und darüber, welche Gefahr sie für Japan darstellen. Um neue Hörer zu informieren, kannst du das noch einmal wiederholen? Warum richten wir so große Aufmerksamkeit auf #3 und #4?
AG: #3 und #4 sind bautechnisch die durch den Unfall am meisten in Mitleidenschaft gezogenen Gebäude. Die Explosion in #3 hat die statische Struktur empfindlich beeinträchtigt, und das zusätzlich zum Erdbeben und seismischen Nachwehen. Die Explosion von #3 hat außerdem die Struktur von #4 geschwächt; außerdem hatte #4 seine eigene Explosion und natürlich die Folgen der Erdbebenereignisse. Diese Gebäude sind also in der Substanz am meisten angegriffen. Das Augenmerk auf #4 wird dadurch noch weiter verstärkt, dass derart viel abgebrannte Brennelemente im Abklingbecken lagern. Auch in #3 gibt es eine Menge Brennstoff im Abklingbecken, aber #4 ist vergleichsweise noch übler. Wenn man das also vergleicht: Bei #3 ist die Wahrscheinlichkeit eines Einsturzes höher, aber die Folgen sind kleiner. #4 ist etwas stabiler, aber die Folgen [eines Einsturzes] wären viel schlimmer.
KH: Was wären das für Folgen?
AG: Wir wären wieder in der gleichen Situation wie am 11. März 2011, wenn #4 einstürzen würde. Das würde das Land von Neuem in die Knie zwingen und unvorstellbare Evakuierungen auslösen. Es würde dann auch ein globales Thema werden, wegen des Feuers. Wir haben es da mit einem Feuer zu tun, wie es noch nie zuvor jemand erlebt hat. Feuer in Abklingbecken wurden zwar theoretisch dargestellt - wir haben ein Video aus einem Laboratorium gezeigt, wie ein Feuer im Abklingbecken aussehen könnte -, aber noch nie ist es wirklich vorgekommen, und hoffentlich kommt es auch nie dazu. Aber die Menge an Radioaktivität, von der wir hier sprechen, ist gleich der von allen 700 atmosphärischen Bombentests zusammengenommen, also die Emissionen von 40 Jahren zusammengefasst in einem einzigen Ereignis. Das wäre also wirklich ernst.
KH: Das ist eine ganze Menge, woran die Leute in Japan nun also jedes Mal, wenn die Erde bebt, erinnert werden.
AG: Ja. Es ist also wichtig … Die japanische Regierung muss sich darüber klar werden. Das Land erlebte Nagasaki und Hiroshima, aber es kam darüber hinweg und hat an die Prämissen der Atomkraft geglaubt. Obwohl sie bombardiert wurden und den schwarzen Regen miterleben mussten. Aber sie glaubten und vertrauten den Autoritäten. Nichtsdestotrotz ist es passiert. Es ist wieder passiert in Daiichi. Und anstatt diese Phase nun abzuschließen, die mit Nagasaki und Hiroshima begann und nun in Fukushima endet, redet die japanische Regierung davon, denselben Fehler zu wiederholen und für die nächsten 40 Jahre weiterzumachen. Aber man muss bedenken: Jedes Mal, wenn es ein Erdbeben gibt, woran werden die Japaner nun denken? Sie werden denken: „Mein Gott, es könnte wieder passieren!“ Und das kann es auch. Japan liegt am Feuerring [der pazifischen Platte]. Es hat aber nur eine äußerst geringe Landmasse. Ein halbes Prozent der gesamten Landmasse des Planeten liegt in Japan. Dennoch finden dort 10% aller Erdbeben statt. Es ist also kein besonders günstiger Ort, um Atomkraftwerke zu beherbergen. Zusätzlich ist der Großteil von diesem halben Prozent Land, das ihnen zur Verfügung steht, gebirgig, eignet sich also nicht zur Besiedlung. Daher sind die Menschen gezwungen, an den Küsten zu leben, aber genau dort sind auch die Atomkraftwerke. Die Inseln sind also prinzipiell ein schlechtes Testgelände für Atomkraft, und man muss die Bevölkerung entsprechend sensibilisieren. Ich glaube auch nicht, dass das Thema einfach verschwinden wird. Ich glaube wirklich, für die nächsten 40 Jahre werden die Leute, sobald die Erde bebt, die Luft anhalten und sagen: „Oh Gott, ich hoffe, das Kraftwerk in Oi (oder wo auch immer) steht das unbeschadet durch!“. Das ist ein psychologisch schwieriger Platz für eine Bevölkerung. Ich glaube, die japanische Regierung sieht den Stress noch nicht voraus, dem sie ihre Bevölkerung über Jahre hinweg aussetzen wird, wenn sie diese Atomkraftwerke einfach weiter laufen lässt, wie sie es vorschlägt.
KH: Arnie, ganz allgemein, Erdbeben, die mit Hilfe der Richterskala angegeben werden: Soweit ich weiß, ist das eine logarithmische Skala. Kannst du uns etwas dazu sagen?
AG: Ja. Du hast recht. Die ist nicht exponentiell, aber fast. Das heißt, der Unterschied zwischen einer 8 und einer 7 ist nicht das 10-fache oder das Doppelte - es ist ungefähr die 30-fache Intensität. Schauen wir uns einmal die Stärke 7,3 gegenüber der 8,5 des Sumatra-Erdbebens an. Das wäre ungefähr 40-mal stärker. Das Nachbeben in Sumatra war also 40-mal stärker als jenes vor Japan vor ein paar Tagen. Und wir sprechen von einem Nachbeben. Also, man muss immer bedenken, wenn man von einem Beben der Stärke 7 hört, dass Stärke 8 mehr als 10-mal stärker ist. Dazu kommt aber noch der genaue Ort des Bebens. Als die Leute von einem Erdbeben in Japan hörten, begannen sie sofort, Fairewinds zu kontaktieren. Aber sie haben nicht nachgeschaut, wo denn das Beben stattfand, nämlich über 200 km weit entfernt. Die Bodenbeschleunigung in Fukushima scheint mir also nur im Zentimeterbereich gewesen zu sein, verglichen mit Dezimetern beim fatalen Beben. Das heißt aber auch, dass Teile, die bis jetzt vielleicht gerade noch gehalten haben, nun heruntergefallen sind. Teile, die vielleicht bis jetzt noch unter der Decke hingen, liegen nun am Boden. Sie waren vorher auch schon nicht mehr zu gebrauchen, jetzt sind sie es endgültig nicht mehr. Es ist fast wie nach einem Wirbelsturm. Äste, die noch im Baum stecken geblieben sind, fallen beim nächsten Sturm herunter. Das Gleiche passiert nun in allen Einheiten von Daiichi. Man wird feststellen müssen, dass sich der Zustand von bereits beschädigten Elementen weiter verschlechtert, ja, dass manche sich einfach loslösen.
KH: Das heißt, wenn das letzte Beben in Daiichi auch keine Gebäude zum Einsturz gebracht hat, so macht es die Aufgabe, mit all den Problemen umzugehen, für TEPCO und Regierungsarbeiter sicher nicht leichter. Wenn wir ein paar Kilometer weiter nach Süden schauen finden wir die Kraftwerksanlage von Daini. Du hast gerade von einem Druckanstieg in einem der Reaktoren nach diesem Erdbeben gesprochen. Kannst du aber etwas zu Daini vor zwei Jahren sagen? Welche Auswirkungen hat das Erdbeben vom März 2011 dort gehabt?
AG: Nun, wir sprechen ziemlich ausführlich darüber in einem Video auf unserer Seite. Das Video heißt: „Es hätte noch viel schlimmer sein können“. Wir sprechen vom Verlust der Hauptwärmesenke und vom Tsunami, der nicht nur die Kühlpumpen von Daiichi zerstört hat, sondern auch viele in Daini. Es liegen ca. 10 km zwischen diesen zwei Anlagen. Speziell die Pumpen, die für die Kühlung von Reaktor #1 zuständig waren, wurden zerstört - und auch die Dieselgeneratoren von #1 haben nicht funktioniert. Das bedeutet, es muss zu Schäden im Kern gekommen sein. Wir sprechen nun von Daini, Reaktor #1. Dies ist eines der Geheimnisse, über die TEPCO nicht spricht: Wie stark ist Fukushima Daini beschädigt? Wir wissen auch nichts darüber, wie stark Daiichi #5 und #6 betroffen sind, davon hören wir ebenfalls nichts. Aber Daini blieb eine ganze Weile ohne Kühlung. Die Dieselaggregate waren nutzlos, wegen dem Verlust der Hauptwärmesenke. Und nach diesem Erdbeben sehen wir nun einen Druckanstieg im Containment. Diese Ereignisse sind miteinander verknüpft. Ich sage nicht, dass dies eine Katastrophe darstellt, ich meine nur, dass die Wissenschaft klare Aussagen von TEPCO benötigt. Schauen wir also nicht nur auf Fukushima Daiichi #1,2,3 und 4, sondern auch auf #5 und 6: Was ist dort passiert? Und lassen wir die Einheiten in Daini nicht außer Betracht. Daini #1 hat mit Sicherheit einen beschädigten Kern. Ob Daini #1 also jemals wieder anlaufen kann, ist eine Frage, die von Leuten gestellt werden sollte, die mit der Planung der Energieversorgung betraut sind. Mir ist nicht bekannt, dass diese Ungereimtheit ein Thema für die Menschen in Japan ist.
KH: Um noch zu weiteren Themen zu kommen: Wir haben in der letzten Zeit viele Emails mit der Frage bekommen, warum TEPCO diese Abdeckungen über den Abklingbecken in Fukushima Daiichi einrichtet. Warum werden die Brennelemente nicht einfach so schnell wie möglich herausgezogen?
AG: Ja, ich habe sie auch gelesen, und dies ist eine gute Gelegenheit, dazu ein paar Worte zu verlieren. Ich war ja auch in einem Geschäftsbereich tätig, der sich mit der Herstellung von fuel racks (also den Metallgestellen, in die die Brennstoffbündel in den Abklingbecken eingeführt werden. AdÜ) befasst. Wenn man sich die Brennelemente als eine Art Spaghetti vorstellt, dann sind diese Gestelle die Dose, in der die Spaghetti sind. Wenn die Nudeln kerzengerade sind und die Dose auch, dann kann man die Dose umdrehen, und die Spaghetti rutschen ganz einfach heraus. Wenn die Dose aber eingedrückt oder verbogen ist oder aber die Spaghetti nicht schön gerade sind, bekommt man die Spaghetti nicht aus ihrer Dose. Das Gleiche gilt nun auch für den Atombrennstoff. Im Wesentlichen ist es wie Spaghetti: 4 Meter lang, und jeder Brennstab ist nicht mehr als fingerdick. Ich glaube, es ist ziemlich klar, dass die Gestelle der Brennelemente in Daiichi beschädigt wurden. Es gab ein Erbeben auf der anderen Seite Japans im Jahr 2007, betroffen davon wurde die Anlage von Kashiwazaki-Kariwa. Dort wurden die Brennelementgestelle beschädigt. Das war ein ziemlich schlimmes Erdbeben damals, aber es gab keinen Tsunami. Die Folge aber war, dass einzelne Brennelemente dort nicht mehr aus den Gestellen gezogen werden konnten. Ich war in Niigata - das ist an der Küste, unmittelbar neben Kashiwazaki-Kariwa, und ein Wissenschaftler sagte zu mir: „Das war unsere letzte Warnung, dieses Erdbeben in 2007. Wir sind gut durchgekommen, und alle haben erleichtert aufgeatmet. Aber es war der letzte Warnschuss.“ Und er hatte recht, denn vier Jahre später ist das alles wieder passiert, in Fukushima Daiichi. Ich gehe also davon aus, dass wir zur Kenntnis nehmen werden müssen, dass die Brennelementgestelle in Fukushima beschädigt sind. Das bedeutet, die Spaghettidose wird eingedrückt sein. Wenn sie also versuchen, die Brennelemente herauszuziehen, dann werden sie das nicht machen können. Einige von diesen Brennelementen werden stecken bleiben, wie die Spaghetti in ihrer Dose. Und ein Erdbeben, wie wir es zuletzt hatten, hat höchstwahrscheinlich das Problem noch vergrö- ßert, oder aber es hat dazu geführt, dass noch mehr Bruchstücke in die Becken gefallen sind. Und wenn Fremdkörper in die Becken fallen, dann werden sie die Zugkraft erhöhen, die notwendig ist, die Spaghetti aus ihren Dosen herauszuziehen, also die Brennelemente herauszuziehen. Ich glaube, was passieren wird, ist Folgendes: Es gibt da einen langen Haken, mit dem man die Brennstäbe an ihrer Spitze einhängt. Wenn das Gestell und auch die Brennelemente unversehrt sind, dann gleiten die Brennelemente relativ einfach heraus. Wenn aber der Brennstoff oder das Gestell verbogen sind, dann ist dem nicht so. Was sie nun tun können ist, mit mehr Kraft zu arbeiten und stärker zu ziehen. Das Problem ist, dass es sich um abgebrannte Brennelemente handelt, und die sind spröde. Wenn man also zu fest daran zieht, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Brennelemente zerbrechen. Das aber kann eine gasförmige Freisetzung von Radioaktivität zur Folge haben. Nun, das war eine lange Vorrede, um die Frage zu beantworten. Der Grund dafür, dass die Dächer über die Abklingbecken gebaut werden, ist, dass die Sorge besteht, dass einige der Brennelemente beim Herausziehen brechen werden, wodurch radioaktive Gase freigesetzt werden. Wenn aber ein Gebäudeteil darüber errichtet wird, dann können diese Gase gefiltert und anschließend über einen Schlot abgelassen werden, und somit gelangt weniger Strahlung in die Umwelt. Es ist also eine Vorsorge, damit jegliche Radioaktivität, die von den abgebrannten Brennelementen entweicht, abgefangen werden kann, wenn sie anfangen, diese herauszuziehen.
KH: Diese Abdeckung hat also den Sinn, die Öffentlichkeit vor Strahlung zu schützen, die bei der Entfernung der Brennelemente entstehen könnte. Welchen Gefahren aber sind die Arbeiter ausgesetzt?
AG: Es gab auch schon Fälle in den USA, bei denen der Bereich um Abklingbecken geräumt werden musste, weil ein Brennstoffbündel abgebrochen war. Dann hat man eine Freisetzung von Gasen in dem darüber liegenden Bereich, und die Personen, die am Abklingbecken arbeiten, müssen den Raum verlassen, bis das Ventilationssystem die Gase abgeführt hat.
KH: Arnie, vor mehr als einem Jahr haben wir davon gesprochen, dass die Explosion in Reaktorgebäude #3 eine prompte Kritikalität darstellte und dass es vielleicht durch die Verformungen der Brennstäbe so weit gekommen ist, dass die einen auf die anderen gedrückt wurden, oder was sonst noch alles dort vor sich ging. Ist es denkbar, dass sie bei dem Versuch, den Brennstoff zu entfernen, unabsichtlich eine weitere Kritikalität verursachen?
AG: Das ist eine ausgezeichnete Frage. Im vergangen Jahr war das Wasser im Becken wirklich noch reines Wasser. Die einzige Methode, wie Neutronen absorbiert wurden, war durch Paneele im Becken - im Wesentlichen die Seiten der Spaghettidosen. Sie sind aus Bor gemacht, darauf ausgerichtet, Neutronen zu absorbieren. Ich habe eine Firma geleitet, die Brennelementgestelle gebaut hat, und die Dimensionierung dieser Teile ist essentiell. Wenn man die Brennelemente zu nahe aneinander quetscht, erzeugt man eine ungewollte Kritikalität, eine prompte, moderierte Kritikalität. Das gilt für sauberes Wasser. TEPCO hat seit damals Bor in die Becken geschüttet. Der Brennstoff ist nur 5 % angereichert. Es ist unwahrscheinlich, dass es zu einer weiteren Kritikalität kommen könnte. Nicht, dass die Gestelle so gut sind, im Gegenteil, die werden immer schwächer. Aber zusätzlich zu dem Bor, wie viel auch immer in den Seiten der Kanister im Abklingbecken noch vorhanden sein mag, in den Seiten der Spaghettidose, wenn man es so sagen will, zusätzlich zu diesem Bor ist das ganze Becken nun so voll mit diesem Element, dass sich die Menge an Bor wahrscheinlich verdoppelt hat. Wir wissen aber, dass der Brennstoff beschädigt ist. Das wissen wir deshalb, weil die Radioaktivität im Beckenwasser unglaublich hoch ist - und sie ist in den letzten 18 Monaten auch nicht nennenswert gesunken. Ursprünglich dachten die Leute, dass es sich um Ablagerungen durch die Explosionen handeln könnte, die auf die Wasseroberfläche niedergingen. Aber in der Zwischenzeit wurde das Beckenwasser über Monate im Kühlsystem umgewälzt, und immer noch stellen wir hohe Radioaktivitätswerte in den Abklingbecken fest. Das sagt mir, dass die Brennelementbündel selbst beschädigt worden sind, entweder durch das Erdbeben, die Explosion oder eine prompte moderierte Kritikalität, oder aber durch die Nachbeben.
KH: Es ist also Brennstoff im Becken bereits freigesetzt worden.
AG: Wenn man an diese langen Spaghettiröhren denkt, so sind diese Rohre aus einer Zirkoniumlegierung. Diese Rohre haben Risse. Die individuellen Brennstäbe haben Risse bekommen - entweder durch die seismische Einwirkung, die Explosion oder die Erschütterungen des Gebäudes bei der Explosion. Sie können völlig zerborsten sein, aber sie haben sicher Risse. Wir nennen diese Stäbe „weaper“ (Tränende). Je größer der Riss, desto mehr Tränen. Ich bin mir sicher, sobald sie anfangen, die Brennelemente herauszuziehen, werden sie viele dieser „weaper“ entdecken, eine große Anzahl beschädigter Brennelemente. Und verschlimmert wird alles noch dadurch, dass es sich nicht um sauberes Wasser handelt. Es ist Salzwasser. All diese Einrichtungen wurden nie für Salzwasser gebaut. Man hat es also mit einer heißen oder zumindest warmen Zirkoniumlegierung und Bor und Salzwasser zu tun, und darin laufen alle möglichen chemischen Reaktionen ab. Die Stärke dieser Hülsen beträgt lediglich 0,6 mm.
KH: Arnie, welcher Hülsen?
AG: Ich rede von den Rohrhülsen, den Wänden der Zirkoniumröhren, die das Uran umhüllen. Diese Röhren sind nur 0,6 mm stark. Nun, wir haben bereits 2011 ein Video gemacht, in dem wir so ein Rohrstück angezündet haben. Es schaute ziemlich steif aus, weil es nur 12, 15 Zentimeter lang war, aber wenn es 4 Meter sind, dann wird es ziemlich biegsam, weil es nur so dünn ist. Und jede Röhre wiegt hunderte Pfund. Man hat also ein großes Gewicht in einem langen, schlanken Rohr, und wenn man das in Schwingung bringt oder mit Salzwasser in Verbindung bringt oder einer Explosion aussetzt, dann ist der Effekt, dass man einiges von diesem Brennstoff beschädigen wird. Nun, jemand hat gesagt: “Warum nehmen sie diesen Brennstoff nicht einfach, heben ihn heraus, verfrachten ihn in Abschirmbehälter (Castoren) und dann können sie ihn erst einmal vergessen“. Das stand in einer Email vor gerade einmal einer Woche. Die Antwort darauf ist, dass die Brennelemente nicht in einem besonders guten Zustand sind. Sie werden den Brennstoff also zuerst einmal an einen weniger gefährdeten Ort bringen müssen, wo er dann, Brennstab für Brennstab, untersucht werden muss, um herauszufinden, welche davon gelagert und welche zerlegt werden müssen. Wir brauchen hier auch einen Plan B.
KH: Wenn du also sagst, dass diese Stäbe hunderte von Pfund wiegen, dann sprichst du nicht von einem Brennstoffbündel, du sprichst von einem einzigen Stab, der mit Uran gefüllt ist, umhüllt mit einer Zirkoniumlegierung. Der wiegt dann hunderte Pfund?
AG: Das ganze Brennstoffbündel wiegt ungefähr eine halbe Tonne. In einem Brennelement sind 8 mal 8 Brennstäbe. Jeder einzelne Brennstab wiegt also ein paar dutzend Kilogramm, das gesamte Brennelement (Brennstoffbündel) wiegt ungefähr 500 kg. Am Kopfende befindet sich eine Art Haken. Sie fahren also von oben hinein, befestigen das Brennelement an diesem Haken und fangen an zu ziehen. Es ist, wie wenn du versuchst, den Reißverschluss deiner Hose zuzuziehen, aber die ist sehr eng. Du ziehst und reißt und fummelst daran herum, und irgendwann wird sich schon etwas bewegen. Nun, das wird wahrscheinlich passieren, wenn sie an dem Ding ziehen. Wenn sie einfach brutal anziehen, wird es schon herausgleiten, dabei aber wahrscheinlich neuen Schaden anrichten, was uns zum Anfang zurückbringt, warum wir über diese Frage diskutieren: Der Grund, warum sie die Abklingbecken überdachen, ist, dass sie mit einiger Sicherheit weitere Gase freisetzen werden. Wenn sie aber das ganze Gebäude abdecken, können sie dann diese Gase filtern, bevor diese dann durch den Schlot in die Umwelt entlassen werden.
KH: Ein ungeheureres Unterfangen, das den Japanern hier gelingen muss, eine äußerst schwierige Aufgabe, die sie bewältigen müssen. Was sollten wir aus all dem lernen?
AG: Nun, die Erkenntnis, die daraus erwächst, ist, dass eine Versagen dieser Technologie extrem teure Konsequenzen nach sich zieht. In den Vereinigten Staaten haben wir nie die wirklichen Kosten evaluiert, die ein schwerer Unfall mit sich bringen würde. Die Annahmen, die bei diesen Anlagen als Berechnungsgrundlage hergenommen werden, sind so gestrickt, dass sie mögliche Kosten minimieren sollen, damit die Strategen der Atomindustrie behaupten können, dass Atomkraft der günstigste Weg in die Zukunft ist. Aber da ist eben dieses magische Wort „Annahme“. Je nachdem, welche Annahmen du triffst, kannst du die Resultate ganz, ganz stark in Richtung auf ein für die weitere Errichtung von Atomkraftwerken förderliches Ergebnis hinmodellieren. Ich glaube, dass genau das in Japan gerade passiert.
KH: Meine letzte Frage: dieses Wort „Annahme“. Dies ist ein Wort, das wir immer und immer wieder genannt haben. Es ist freilich auch ein Wort, das die NRC verwendet, wenn sie irgendetwas berechnen, alles, von der Frage, wie groß eine Evakuierungszone sein soll, bis zu … Was soll es nun also heißen, wenn von Annahmen die Rede ist?
AG: Ja, die NRC ist allerdings sehr vorsichtig in ihrer Wortwahl, anstatt von Annahmen würden sie wohl von Ausgangsbedingungen sprechen, den Umständen am Beginn einer Abfolge von Ereignissen. Im Grunde nehmen sie an, dass Atombrennstoff, der leck wird, Radioaktivität in einer gewissen Menge freisetzt. Und dann nehmen sie an, dass, wenn es einmal zu einem Leck gekommen ist, nur ein gewisser Prozentsatz der Strahlung schließlich ins Wasser gelangt, dann nehmen sie an, dass von dieser Radioaktivität im Wasser wiederum nur ein Bruchteil an die Luft abgegeben wird, und dann nehmen sie an, dass das Gebäude dicht bleibt.
KH: Das Problem mit all diesen Annahmen ist also, wenn ich es recht verstanden habe, ob, wenn sie nun zu rechnen beginnen, alle ihre Annahmen zutreffen, vielleicht sind sie aber von Anfang an bereits falsch.
AG: Ja, sie schauen sich eine ganze Kette von Annahmen an, und der Effekt davon ist, dass so die Konsequenzen und die Wahrscheinlichkeit eines Atomunfalls minimiert werden. Die Berechnungen - sie nennen es PRA (probabilistic risk assassment, eine Risikoabschätzungsmodell) - zeigen dann, dass die Wahrscheinlichkeit eines Unfalls nur sehr gering ist, und, selbst wenn es passieren sollte, die Auswirkungen nur sehr gering sind. Von der planerischen Seite macht die Entscheidung, mehr Atomkraftwerke zu bilden, so wieder Sinn. Das Problem ist aber, wenn man sich diese Annahmen genauer ansieht, ist jede einzelne von ihnen nicht einfach ein Durchschnittswert, sondern die verwendeten Daten sind bereits vorteilhaft für die Leute, die Atomkraftwerke bauen wollen. Die Schlüsselannahme ist - ich war in einem beratenden Ausschuss zum Thema Reaktorsicherheit, und die NRC hat gesagt (wir redeten von einem sehr speziellen Thema, nämlich net positive suction head [Haltedruckhöhe]) - die NRC Angehörigen sind also der Auffassung, Containments würden immer dicht bleiben. Daiichi hat aber ganz klar aufgezeigt, dass dies nicht der Fall ist. David Lohbaum von der Union of Concerned Scientists (Vereinigung besorgter Wissenschaftler), ich und der vom Staat Vermont eingesetzte Ingenieur haben schon jahrelang versucht durchzusetzen, dass diese Annahme gestrichen wird. Seit 2005 haben wir die NRC bereits davon zu überzeugen versucht, dass dies keine glaubwürdige Annahme ist. Und wenn man daran denkt, dass sich hunderte von diesen Annahmen in den Berechnungen befinden … Gerade diese eine Annahme, dass Containments nie undicht sind, natürlich wird das die Richtlinienentscheidung, dass Atomkraftwerke sicher sind, zur Folge haben.
KH: Durch diese eine Annahme wird also die gesamte Rechnung verändert, es kommt zu einem völlig veränderten Resultat?
AG: So ist es. Weiß du, es gibt noch eine andere Annahme, die wir alle machen. Unsere Hörer und Seher der Fairewinds-Site machen die Annahme, dass wir immer da sein werden. Wir würden die Site auch gerne im nächsten Jahr und in den kommenden Jahren betreiben, aber das ist keine ausgemachte Sache. Wir brauchen Unterstützungen. Es ist Ende des Jahres, also die Zeit der Steuererklärungen, und dies ist eine gute Zeit, ihre Steuern zu minimieren und gleichzeitig eine gute Sache zu unterstützen. Wir schätzen also wirklich ihre Spenden sehr, damit wir alle die Annahme treffen können, dass es Fairewinds auch 2013 noch geben wird.
KH: Arnie Gundersen, danke, dass du beim heutigen Podcast dabei warst.
AG: Servus Kevin, danke für die Einladung.
KH: Das war also die dieswöchige Ausgabe des Energy Education Podcast. Bitte behalten Sie in Erinnerung, dass wir diesen Monat um Ihre Hilfe bitten, um unser Spendenziel zu erreichen. Bitte helfen Sie uns online zu bleiben, um Ihnen auch weiterhin vertrauenswürdige Information zu Atomkraft und angrenzenden Themen zu liefern. Sie hören uns nächste Woche wieder mit neuen Nachrichten über Ereignisse und Vorgänge in der Atomindustrie rund um die Welt. Dies ist Kevin für Fairewinds Energy Education.
Dieses Schriftstück steht unter GFDL, siehe www.gnu.org/licenses/old-licenses/fdl-1.2.html . Vervielfältigung und Verbreitung - auch in geänderter
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