Financial Pressures are Affecting Safety Decisions in the Nation's Nuclear Plants

About This Podcast

Arnie explains that Oyster Creek is the only nuclear plant in the US that lacks a modern High Pressure Safety Injection System. This means that the recently discovered pipe crack in a 3 inch pipe at Oyster Creek would create a serious safety threat if it were to completely break. Arnie also discusses the cost of operating nuclear plants, and how many nuclear plants around the country are no longer a low cost electric producer. Finally, Arnie looks at the three nuclear plants with extended shutdowns (Ft. Calhoun, San Onofre and Crystal River) and concludes that the cost of maintaining large staffs when no electricity is being produced is not in the best interests of the ratepayers.

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Deutsch

Fairewinds Energieinformation präsentiert eine Spezialausgabe

des wöchentlichen Podcasts zu Thanksgiving

Kostendruck beeinflusst die Entscheidungen über Sicherheitsfragen 

bei amerikanischen Atomkraftwerken 

KH: Dies ist eine spezielle Folge des Energieinformationspodcasts von Mittwoch, dem 21 November 2012: Ich bin KH. Dieser Podcast ist ein Projekt von Fairewinds Energy Education: Fairewinds ist eine gemeinnützige Organisation, deren Zielsetzung darin besteht, Entscheidungsträger, die Öffentlichkeit, und vor Allem die Angehörigen der nächsten Generation über Entwicklungen in Sachen Atomkraft und deren Sicherheit zu unterrichten. Heute in diesem Programm: die Atomaufsichtsbehörde [Nuclear Regulatory Commission, kurz NRC], hat in der Nachfolge des Wirbelsturms Sandy Teams von Sonderberichterstattern zu zwei US amerikanischen Atomkraftwerken entsandt; wir besprechen, warum. Des Weiteren: der Sturm hat Straßen unterspült und die Stromversorgung in vielen Gebieten unterbrochen. Wir diskutieren, was das für den gesamten Bereich der Notfallplanung bedeutet. Und schließlich untersuchen wir in dieser Sonderausgabe: warum einige Betreiber von Atomkraftwerken verlautbaren ließen ihre Anlagen still zu legen, falls sie aufgefordert werden mehr Geld in Sicherheitseinrichtungen zu investieren. Via Skype ist Fairewinds Energys Atomingenieur Arnie Gunderson bei uns. All das in Kürze.

Maggie Gunderson (Präsidentin von Fairewinds): Könnte es in den USA zu einer Kernschmelze wie in der Anlage von Fukushima Daiichi kommen? Berichten die Massenmedien wirklich die Wahrheit über die Atomindustrie? Wenn Sie Antworten darauf suchen, was sich rund um die Welt an Neuigkeiten zum Thema Atomkraft ereignet, bei Fairewinds werden sie fündig. Ihre Spenden ermöglichen uns die Bereitstellung der notwendigen Mittel, Ihnen weiterhin sachliche Informationen durch erfahrene Experten der Atomindustrie zu bieten. Bitte bedienen Sie die Schaltfläche für Spenden.

KH: Dies ist der Fairewinds Podcast, danke, dass Sie dabei sind. Nur noch eine kleine Bemerkung für unsere Zuhörer, bevor wir uns mit Arnie verbinden: nächste Woche, also am nächsten Sonntag [den 25.11.2012] wird es keine neuen Podcast geben. Nächsten Sonntag entfällt die Folge wegen des langen Wochenendes zu Thanksgiving, aber am Sonntag darauf sind wir wieder auf Sendung. Nun aber zu Arnie. Arnie: danke, dass du diese Woche wieder mit dabei bist.

Arnie Gundersen: Hallo Kevin, danke- und ein schönes Thanksgiving allen Zuhörenden.

KH: Nun, ich möchte gleich mit diesen zwei Teams von Sonderermittlern beginnen, die von der NRC nach dem Wirbelsturm losgeschickt worden sind, die einen zum Kraftwerk von Turkey Point [bei Homestead, Florida], die anderen zu dem von Oyster Creek [bei Lacey, New Jersey]. Kannst du uns etwas dazu sagen, was diese zu tun haben und warum sie dort sind?

AG: Ja. Die NRC schickt solche Teams nicht sehr oft los, es ist also tatsächlich etwas Besonderes. Aber es gab zwei Störfälle während der letzten Woche, für die in ihrer Beurteilung ganz besondere Aufmerksamkeit notwendig ist, also schickten sie diese SIT-Teams [special investigation teams, Sonderermittlungsteams] los. Interessant ist Turkey Point. Dort schlossen sich Ventile, und anschließend konnten sie von den Reaktorfahrern nicht mehr geöffnet werden. Diese Ventile waren aber Teil des Reaktorkühlsystems, des Notkühlwassersystems. Dadurch entsteht genau das Problem, von dem wir seit Fukushima Daiichi sprechen: der Verlust der Hauptwärmesenke(1) . Also: niemand weiß, warum sich diese Ventile schlossen, es gab keinen Anlass dafür, und warum es nicht möglich war, sie wieder zu öffnen, ist ein noch größeres Rätsel. Und so kam es zu einem Intervall von ungefähr 30 Minuten, während dem das Reaktorkühlsystemdas Notkühlsystem für den Atomreaktor nicht einsatzfähig war, weil diese Ventile in der „geschlossen“ Stellung festsitzen und man sie nicht mehr dazu brachte, sich wieder zu öffnen. Dies war nun ein Vorgang, der bei der NRC erhöhte Wachsamkeit auslöste: was in Gottes Namen spielt sich da ab? In Oyster Creek hatten sie ein ähnliches Problem: wiederum den Verlust der Hauptwärmesenke, aber aus einem anderen Grund, diesmal war es der Wirbelsturm Sandy. Wir haben in den Podcasts der vergangenen Woche darüber gesprochen, wie die von Sandy ausgelöste Sturmflut bis auf 15 cm daran herankam, das gleiche System, das Notnebenkühlwassersystem(2), stillzulegen. Nun ja, dieses System ist angeblich einigermaßen robust, und sollte solcherlei Probleme eigentlich gar nicht entwickeln, aber hier hatten wir gleich zwei Fälle innerhalb einer Woche, bei denen das Notnebenkühlwassersystem nicht einsatzfähig war. Das ist also ziemlich beunruhigend, auf der anderen Seite ist die Antwort durch die NRC, Ermittler loszuschicken, absolut angemessen, weil schließlich und endlich, ist dies die letzte Verteidigungslinie, eine Kühlung des Atomreaktors zu gewährleisten.

KH: Arnie, dieser Sturm hat also Straßen unterspült und die Stromversorgung vielerorts unterbrochen- alle diese Anlagen müssen aber Evakuierungspläne für den Notfall haben. Mit vielen dieser Schäden an der Infrastruktur immer noch unbereinigt, wie ist für einen Notfall vorgesorgt, wenn nun heute einer passieren würde.

AG: Nun, das ist eine ausgezeichnete Frage. Oyster Creek sitzt da in der Klemme. Die Infrastruktur rund um die Anlage (wir sprechen nicht vom Kraftwerk selbst): die öffentlichen Straßen, die Kanalisation, Schutzräume und alle diese Dinge sind immer noch durch die Auswirkungen von Wirbelsturm Sandy überbeansprucht. Und das sind dieselben Teile der Infrastruktur, die man im Falle eines Atomunfalls benötigt. Wir haben da also eine Anlage, die wieder angefahren werden soll. Oyster Creek soll jeden Moment nun wieder hochgefahren werden, obwohl sein Notfallevakuierungsplan nicht funktionieren würde, falls es zu einem Unfall kommt.

KH: Es wäre ihnen erlaubt, das zu machen?

AG: Tja, das ist eine weitere vorzügliche Frage. Es gibt da einen Anwalt namens Richard Webster, der davon überzeugt ist, dass Oyster Creek 10CFR50/73 verletzt: das ist eine Richtlinie, die besagt, dass es einen funktionstüchtigen Evakuierungsplan geben muss, wenn man einen Atomreaktor betreiben will. Außerdem ist der Betreiber verpflichtet die NRC darüber zu informieren, wenn es keinen diensttauglichen Plan gibt. Anwalt Webster hat also gestern die NRC angeschrieben, und gefragt, was nun los ist, dass sie ihre Arbeit nicht ausführen. Seit Sandy, für 2 Wochen nun also schon, gab es für die Anlage keinen durchführbaren Evakuierungsplan, ihr wurdet von den Leuten, die Oyster Creek betreiben, auch nicht informiert, und ihr selbst wart auch nicht gerade besonders wissbegierig in dieser Sache. Sowohl der Besitzer, als auch die NRC sind hier also säumig, indem sie das Gesetz, so wie es in Kraft ist, in Bezug auf Oyster Creek nicht einhalten. Weißt du, es wird sogar noch schlimmer, Oyster Creek ist das älteste Kraftwerk im ganzen Land. Es wurde 1969 in Betrieb genommen, und es hat keine Hochdruckkühlmitteleinspeisung (high pressure coolant injection system, HPCI). Es ist das einzige Kraftwerk im Land ohne HPCI.

KH: Arnie, bevor du weiter sprichst, was ist diese HPCI, diese Hochdruckkühlmitteleinspeisung?

AG: Nun, bei einem Unfall entsteht im Reaktor ein hoher Druck, und es wäre natürlich sehr gut, wenn man Wasser in ihn hinein bekäme, obgleich er unter hohem Druck steht. In diesem Fall würde man das HPCI nutzen, um Wasser bei einem Unfall in den Reaktor zu hineinzupumpen. Es gibt aber noch andere Systeme. Wenn der Druck kleiner wird, dann verwendet man etwas, das man Niederdruckkühlmitteleinspeisung nennt (low pressure coolant injection system, LPCI); und es gibt noch eine ganze Reihe anderer Systeme in Oyster Creek. Aber man braucht das HPCI für etwas, das man einen small line break accident nennt, eine Art von Rohrbruch. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn ein Rohr von mit einem Durchmesser von zirka sieben Zentimetern bricht - der Reaktor ist also heiß, und er steht unter hohem Druck. Flüssigkeiten werden also durch das gebrochene Rohr herausgepresst, und in Oyster Creek gibt es keine Möglichkeit, diesen Verlust auszugleichen. Was in Oyster Creek dann geschehen müsste ist Folgendes: die Reaktorfahrer [CH: Reaktoroperateure arbeiten am Leitstand und steuern alles Vorgänge im nuklearen Teil des Kraftwerks] müssten manuell eine Anzahl von Entlastungsventilen öffnen, um den Druck schnell zu senken. Um das Problem in Oyster Creek in den Griff zu bekommen, ist man also auf darauf angewiesen, dass das Bedienpersonal das Richtige macht.

KH: Das ist also eine neuere Technologie, die Oyster Creek noch nicht besitzt, weil es eine der ältesten Anlagen ist

AG: Richtig. Niemand dachte an HPCI zu der Zeit, als Oyster Creek gebaut wurde. Im Nachhinein hat man erst begriffen, wir brauchen ein anderes Sicherheitssystem, das HPCI. Es wurde also bei allen anderen Reaktoren, bis auf Oyster Creek, nachgerüstet. Es ist aber deswegen so bedrohlich, weil Oyster Creek gerade diese Woche verlautbart hat, dass Risse in einem [der Rohre] gefunden wurden, feine Risse in einer Linie von über 10 cm Länge. Sie sind nun dabei, diese Risse in der 10 cm langen Linie auszubessern, aber hier haben wir alle Anzeichen, alle Vorwarnungen für einen Unfall: wir haben eine 10 cm lange Linie von Rissen, es gibt kein HPCI, um die Anlage zu kühlen, der Evakuierungsplan wird nicht funktionieren, weil - kurz gesagt - der Sturm die Infrastruktur zerstört hat. Und hier haben wir nun die NRC, die es zulässt, dass Oyster Creek im 21. Jahrhundert immer noch läuft, obwohl es nicht einmal alle Kühlsysteme eingebaut hat, die bereits im 20. Jahrhundert erfunden wurden. Da es nun aber einmal so ist, dass eine 10 cm Schwächezone in einem Rohr mit 10 cm Durchmesser gefunden wurde, der ein Vorläufer für eine Bruchstelle sein könnte, und dass man ein HPCI unbedingt brauchen würde, sollte dieses Rohr bersten, schließlich in Anbetracht der Tatsache, dass kein Evakuierungsplan zu Verfügung steht, würde man doch meinen, dass die NRC sagt, also, Oyster Creek, es ist uns lieber, wenn du nicht hochfährst. Aber das passiert nicht. Es schaut für mich danach aus, dass die NRC und Exelon, der Besitzer von Oyster Creek, fröhlich dabei sind, dieses Kraftwerk wieder ans Netz zu kriegen und dabei die öffentliche Sicherheit aufs Spiel setzen.

KH: Arnie, wenn Exelon das Kraftwerk also auf eine anständige Art und Weise wieder hochfahren würde, und ihre Notfallpläne entsprechend adaptierten, was müssten sie dann tun?

AG: Also Exelon hat schon gesagt, dass sie, sollten irgendwelche Verbesserungen in Oyster Creek notwendig werden, das Werk lieber stilllegen. Das kam in einer Telefonkonferenz mit Börsenanalysten im Laufe der vergangenen Tage heraus. Sie sagten, dass der Ertrag der Anlage marginal sei. Wenn sie in der Folge vom Wirbelsturm Sandy irgendwelche Modifizierungen durchführen müssten, würden sie dort nichts verdienen und dann lieber die Anlage abschalten. Nun, es ist der zweite Dominostein, der da umfällt. Wir hatten den Kewaunee Reaktor vor zwei Wochen in unserem Podcast, und da wurde gesagt, dass Kewaunee nach dem März 2013 nicht mehr gestartet werden würde, weil der Betrieb einfach zu teuer käme. Hier haben wir also das Exelon Management, das sagt, es würde keine tiefgreifenderen Verbesserungen in Oyster Creek mehr durchführen, und die NRC weiß das. Wenn die NRC also darauf bestehen würde, dass Oyster Creek einen funktionierenden Notfallplan vorweisen kann, und ein HPCI installiert wird, und so weiter, dann wissen sie, dass Exelon das Werk in diesem Fall abschalten wird. Ich glaube aber nicht, dass die NRC ausschlaggebend dafür sein will, dass ein Reaktor abgeschaltet wird, obwohl es in Wirklichkeit nur um eine Frage des Geldes im Gegensatz zu öffentlicher Sicherheit geht. Die NRC sollte auf Seiten der öffentlichen Sicherheit stehen, und Exelon auf der Geldseite. Aber es schaut für mich so aus, als ob sich Exelon mehr Sorgen um die Kosten für Exelon macht als um die öffentliche Sicherheit für die Menschen in New Jersey. Weißt du, das ist kein Einzelfall. Das Thema Geld taucht immer wieder auf. Wir hatten noch zwei Fälle in der letzten Woche, die finanziell nicht wirklich tragfähig sind. Oyster Creek ist also nicht der einzige Reaktor, der sich finanziellen Problemen gegenüber sieht. Von Kewaunee haben wir schon gesprochen. Aber zwei weitere sind diese Woche in der Diskussion aufgetaucht, und das Überraschende ist, dass es sich dabei um neuere Reaktoren handelt:. Der Reaktor von Wolf Creek [bei Burlington, Kansas] hat bekannt gegeben, dass ein Partner gesucht wird, um „ingenieurtechnische Bandbreite zu teilen“- mit anderen Worten, die wollen Techniker abbauen und die Arbeitsvolumen über mehrere Reaktoren verteilen, sodass pro Reaktor weniger Techniker im Einsatz sind und sie ihre Kosten senken. Und Callaway [bei Fulton, Missouri] sagte das Gleiche. Beides sind neue Reaktoren im Mittleren Westen. Sie sagen, dass die Kosten, die Reaktoren zu betreiben, ihre Konkurrenzfähigkeit im heutigen Umfeld untergräbt. Wir haben da also vier Reaktoren allein im letzten Monat, die davon reden, dass es ihnen nicht leicht fällt, ökonomisch überhaupt sinnvoll zu laufen. Kewaunee, Oyster Creek, Callaway, Wolf Creek. Man darf also annehmen, dass es da draußen noch weitere gibt. Ziemlich viele Kraftwerke verlieren in der Nacht Geld. In der Nacht, wenn es ein größeres Versorgungsangebot gibt, sind die Kosten für andere Anbieter viel niedriger als für die Betreiber von Atomkraftwerken. Atomkraftwerke sind also nicht mehr länger die Energiebilliganbieter.

KH: Es sind also gleich eine ganze Reihe von Kraftwerken, die sich überlegen, ob sie ihren Betrieb einstellen sollen, wenn es teurer wird. Als Fünftklässler hätten wir wohl gesagt, ist das nun eine Drohung oder ein Versprechen?

AG: Ich glaube, die NRC ist sich nur allzu bewusst, dass sie, wenn sie die Sicherheitsauflagen erhöht, den Betrieb verteuert. Und sie wollen ihn absolut nicht verteuern. Das ist auf der Ebene der Kommission. Es gibt 4 oder 5 Kommissionäre, mit Ausnahme der neuen Vorsitzenden, Alison Macfarlane. Die NRC hat gesagt, Atomkraft sei, so wie sie ist, sicher genug, und dass sie keine Veranlassung sehen, irgendwelche Veränderungen vorzunehmen. Daraufhin sendet der Markt Signale aus, die besagen, wenn ihr irgendwelche Veränderungen verlangt, dann werden wir die Dinger abschalten. Um es noch einmal zu sagen: ich denke, wir vermischen Sicherheit und Rendite. Der einzige Fokus der NRC sollte die öffentliche Sicherheit sein. Aber mir scheint es so zu sein, dass auf der Ebene der Kommissionäre beschlossen wurde, dass wir keine sicherheitsrelevanten Veränderungen als Konsequenz des Fukushima Daiichi Unfalls sehen werden. Die Anlagen werden also nicht so sicher sein, wie sie es sein könnten, dafür aber wirtschaftlich günstiger zu betreiben, was eine Menge dieser Konzerne über Wasser hält. Weißt du, wir sehen das auch anderswo. Wir sehen es in Ft Calhoun [Nebraska]- wieder im Mittleren Westen, und es ist außerdem auch ein sehr alter Reaktor. Ft Calhoun war der von den Überschwemmungen betroffene, über den ich sagte, Sandsäcke und Atomkraftwerke gehören nicht in den gleichen Satz. Ft Calhoun kostet irgendwo zwischen 5 und 10 Millionen $ pro Monat, um die Leute zu bezahlen, die keinen Strom produzieren. Nun, diese Anlage hat seit April des letzten Jahres keinen Strom mehr produziert. Wir haben also mehr als ein Jahr, in dem alle diese Leute ihre Gehälter bezogen haben, es geht also um mehr als 100, an die 200 Millionen $. Und das bei einer Anlage, bei der die Spatzen von den Dächern pfeifen, dass ihr Betrieb nicht kostendeckend ist. Aber was da vorgeht, ist, dass die Leute dort (dies ist Teil des Nebraska Public Power Districts) die Gehälter mit ihrer Stromrechnung bereits so lange bezahlt haben, dass ihnen gar nicht auffällt, dass sie monatlich 5 bis 10 Millionen Dollar dafür ausgeben, damit Menschen dafür bezahlt werden, dass sie kein Atomkraftwerk betreiben. Diese Woche haben die Leute von Ft Calhoun nun gesagt, dass es in der Anlage gravierende Probleme gibt, sodass sie sogar noch länger geschlossen bleiben muss: Probleme mit der strukturellen Beschaffenheit des Containments, die bislang nicht bemerkt worden waren.

KH: Also Arnie, vielleicht kannst du mir helfen und mich darüber aufklären, wie teuer es nun eigentlich ist, diese Anlagen weiterhin zu betreiben, während sie stillstehen, also, wenn der Reaktor nicht läuft und keinen Strom produziert? Offensichtlich muss so eine Anlage einen Sicherheitsdienst bezahlen und Techniker, und die weiteren Angestellten eines solchen Werkes kosten ja auch Geld. Was kostet das im Falle eines stillgelegten Kraftwerks?

AG: Ein Kraftwerk in Kalifornien gibt es da als Beispiel: es ist das Werk von San Onofre. Die haben fast 2000 Leute und zwar hochbezahlte Techniker, die im Durchschnitt mehr als 100.000 $ im Jahr beziehen. Es sind also mehr als 100, fast 200 Millionen $ pro Jahr, dafür, dass die Anlage von San Onofre einfach nur dasteht, während diese Leute ihren Gehalt dafür beziehen, dass sie keinen Strom produzieren. Außer San Onofre gibt es noch zwei weitere Beispiele: das erste ist Ft Calhoun. Die haben eine Belegschaft von 600 oder 700. Und noch einmal, das sind 60 bis 100 Millionen $ pro Jahr nur dafür, dass das Werk einfach nur dasteht, und das andere ist hier an der Ostküste, Crystal River unten in Florida. Dort gibt es eine riesige Belegschaft und es kostet wahrscheinlich 150 Millionen pro Jahr, es einfach nur so stehen zu lassen. Crystal River wird 5 oder 6 Jahre stillstehen, wegen Problemen mit dem Containment. Ft Calhoun hat also nun Containment Probleme, und Crystal River hat Containment Probleme. Die werden also 5 Jahre still stehen und währenddessen die Gehälter von mehr als 1000 Menschen zahlen, um dafür 5 Jahre lang keinen Strom zu erzeugen. Ich vergleiche es gerne mit der NFL [National Football League]. Wenn du einen Quarterback hast, der sich den Arm bricht, lässt du ihn eine Saison aussetzen. Aber die Erwartung ist natürlich, dass er am Ende der Saison wieder einsetzbar ist. Crystal River aber wird 6 Jahre lang aussetzen. Welches NFL-Team würde so eine wirtschaftliche Entscheidung treffen, ihren Quarterback 6 Jahre einfach nur dasitzen zu haben, 6 Jahre einen exorbitanten Lohn zu zahlen, immer in der Hoffnung, dass er früher oder später zurückkommen wird und das Team von Neuem anführen wird. Das Gleiche mit San Onofre. San Onofre #3 ist wahrscheinlich für immer stillgelegt, #2 wird für mehr als ein Jahr außer Betrieb sein und wahrscheinlich nie mehr mit einer Leistung von 100% laufen können. Und dennoch haben wir diesen teuren Quarterback, viele hundert hochbezahlte Ingenieure, einfach dasitzen, und tief in unserem Innersten denken wir: nun, früher oder später wird er schon wieder laufen. Geschäftsbetriebe treffen keine solchen Entscheidungen. Versorgungsbetriebe machen das, wenn sie sich einfach das Geld von ihren Kunden nehmen können, über die Stromrechnung. Crystal River gehört also einem Versorgungsunternehmen. Und das heißt, ob es läuft oder nicht, die Leute, denen Crystal River gehört, werden bezahlt - das Gleiche mit San Onofre und Ft Calhoun. Ob diese Werke laufen oder nicht, die Belegschaften werden über Ihre Stromrechnung bezahlt. Die anderen, Kewaunee und Oyster Creek nennen wir Geschäftsanlagen (merchant plants / Merchant-Kraftwerke). Wenn die nicht laufen, dann bekommen sie auch kein Geld. Und das Management verhält sich nun plötzlich wie es Geschäftsleute gemeinhin tun: sie ziehen einem Kraftwerk den Stecker und sagen, wir können uns nicht leisten, dieses Werk zu betreiben. Was wir in der Atomindustrie sehen ist also zwiegespalten: die Geschäftsanlagen, die nicht mit einem Stromversorger verbandelt sind, und ihren Strom ans Netz verkaufen, schauen sich die Bilanz ihrer Reaktoren an und sagen: das zahlt sich nicht aus. Und das Selbe gilt auch für Ft Calhoun oder Crystal River oder San Onofre, die machen sich genau so wenig bezahlt. Aber weil die Endverbraucher diese Löhne über 10 und 20 und 30 Jahre in ihren Raten schon mitbezahlt haben, spüren sie nicht, dass ihnen jemand gerade 200 Millionen $ aus der Tasche gezogen hat. Wenn die Kunden der Versorgungsbetreiber durchschauen würden, dass diese Kraftwerke einfach stehen zu lassen das Gleiche bedeutet, wie den Quarterback 5 oder 6 Jahre neben dem Spielfeld sitzen zu haben, würden sie bei der Kommission für Versorgungsbetriebe anfragen, warum sie, im Fall von Crystal River 750 Millionen $ für die Gehälter an Leute bezahlen müssen, die in einem Kraftwerk herumsitzen, das nicht läuft? Es macht also geschäftlich keinen Sinn, aber die Kommissionen der Versorgerbetriebe in Florida, in Kaliforniern schauen nicht hin. Es ist also im Grunde ein sehr hoch bezahltes Beschäftigungsprogramm für Techniker, damit sie herumsitzen und keinen Strom erzeugen.

KH: Arnie, wäre es nicht fein, wenn die Endverbraucher in den USA auch Fairewinds bezahlen würden?

AG: Das wäre [….?], Kevin. [? …?] x8 Millionen Menschen haben die Fairewinds Webseite seit Fukushima Daiichi besucht. Wenn also jeder nur einen Dollar an unserer Tür gelassen hätte, dann könnten wir 10 mal, sogar 100 mal besser die Neuigkeiten berichten, als wir es jetzt tun. Ja, wir saugen nicht wie Blutsauger gewohnheitsmäßig Geld aus Ihrer Brieftasche, wie es die Versorgungsunternehmen tun können. Nein, wir sind auf Spenden angewiesen, und es ist Thanksgiving, und vielleicht ist Farewinds eines der Dinge, wofür man dankbar sein kann. Von jetzt bis zum Jahresende versucht Fairewinds Gelder von Firmen und großen und kleinen Spendern zu lukrieren, und ich sage dir, es ist eine Erfahrung, die einen sehr demütig werden lässt, wenn man zu seinem Postkasten geht und einen Brief aufmacht, in dem nur „danke“ steht, und hier sind 20 $, „ich schätze es sehr, was Sie tun“ . Es macht mir wirklich bewusst, wie wenig Information da draußen ist, [wie viel] die Massenmedien nicht berichten, und so versuchen wir unser Bestes. Aber wir können es nicht umsonst machen, und würden für eine Spende sehr dankbar sein.

KH: Arnie Gundersen, hört sich so an, als ob bei dir im Hintergrund einiges los ist.

AG: Ja, da spielen ein paar Kinder gerade vor meiner Skype Verbindung.

KH: Von unterwegs via Skype war bei uns Arnie Gundersen, Fairewinds Chef Atomingenieur. Arnie, danke dass du bei dieser Spezialausgabe dabei warst. Noch einmal eine Erinnerung, dass es nächsten Sonntag keinen Podcast geben wird, dieser hier wird also bis auf Weiteres der Aktuellste bleiben.

AG: Gut dann, also danke noch einmal und fröhliches Thanksgiving an Fairewinds.

KH: Nun, das ist alles für diese spezielle Podcastausgabe. Nur als Erinnerung, wir werden den kommenden Sonntag keinen neuen Podcast haben. Aber wir werden am darauf folgenden Sonntag wieder hier sein, um die neusten Entwicklungen aus der Welt der Atomnachrichten zu besprechen. Für Fairewinds Energy Education verabschiedet sich KH. Danke für’s Zuhören.

(1) Verlust der Hauptwärmesenke ist ein technischer Fachausdruck, der einen Zustand beschreibt, bei dem die in einer Maschine entstehende Hitze nicht mehr abgeführt werden kann, weil die Verbindung zum letztendlichen Kühlungsmedium nicht mehr funktioniert. Man denke sich zum Beispiel einen wassergekühlten Motor, bei dem der Kühler seine Wärmetauschfunktion nicht mehr erfüllen kann, weil die Zwischenräume zwischen den Kühlrippen verklebt und die Lufteinlässe blockiert sind, etwa bei rascher Fahrt durch einen nicht enden wollenden Heuschreckenschwarm. Befindet man sich nun gleichzeitig an einem heißen Tag in einer heißen Gegend (und nur in dieser Situation wird man wohl auf Wolken von Wanderheuschrecken treffen), so wird die schnelle Fahrt ein rasches Ende haben: der Motor erleidet den Verlust seiner Hauptwärmesenke- das Wasser des Kühlkreislaufs hat nicht mehr in ausreichendem Maß Verbindung zur Umgebungsluft.

(2) Das Notnebenkühlwassersystem hat nicht unmittelbar etwas mit der Kühlung des Reaktors zu tun, sondern kühlt Einrichtungen, die in einem Notfall, also etwa einem Stromausfall, eine weitere Kontrolle über die Anlage garantieren sollen; darunter fallen zB die Dieselgeneratoren, Luftkompressoren oder auch Containment Kühlungslüfter (containment fan cooling units).

Dieses Schriftstück steht unter GFDL, siehe www.gnu.org/licenses/old-licenses/fdl-1.2.html . Vervielfältigung und Verbreitung - auch in geänderter

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